Der Orgelbestand Tirols im Überblick


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Der Bestand an Orgeln ist in Tirol wie überall einem stetigen Wandel unterworfen. Zahlreiche Kirchen, die vorher noch nie eine Orgel besessen hatten, wurden in den letzten Jahrzehnten mit einer Orgel ausgestattet. Immer wieder werden vorhandene Instrumente durch neue ersetzt, wodurch vor allem der Bestand an Orgeln mit nichtmechanischen Trakturen ständig abnimmt. Andererseits standen in vielen Nebenkirchen früher kleine Instrumente, die inzwischen verschwunden sind; selbst einige Pfarrkirchen besitzen heute im Gegensatz zu früher keine Orgel mehr. Trotzdem dürfte die Gesamtzahl der Orgeln in Tirol nie so groß gewesen sein wie heute.

Von einigen nicht mehr existierenden Instrumenten sind noch Reste erhalten: Flügeltüren, leere Gehäuse oder auch Pfeifen und Windladen, die auf Dachböden gelagert sind. Gelegentlich werden solche Teile wieder zu neuem Leben erweckt.

Beim Bau vieler Orgeln wurde ältere Substanz mitverwendet, sei es das Gehäuse oder zumindest die Fassade der Vorgängerorgel, seien es mehrere Register, teilweise auch Windladen. In Einzelfällen kann daher eine Orgel gar nicht einem einzelnen Erbauer zugerechnet werden, sondern das heutige Instrument ist das Ergebnis des Wirkens verschiedener Orgelbauer, oft über den Verlauf mehrerer Jahrhunderte hinweg.

Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass jeder Versuch eines zahlenmäßigen Überblicks immer nur eine Momentaufnahme darstellen kann und Zweifelsfälle je nach Zuordnung in der einen oder der anderen Kategorie zu Buche schlagen. Die hier gebotenen Zahlenwerte werden daher zumeist gerundet angegeben, was indessen die grundsätzlichen Aussagen nicht verfälscht.

Zählt man sämtliche Objekte zusammen, so erhält man derzeit im Bundesland Tirol (Nord- und Osttirol) etwa 500, in Südtirol etwa 450 Stücke. Bei der folgenden zahlenmäßigen Aufschlüsselung werden jedoch einige Kategorien nicht berücksichtigt: Reste von Orgeln, Flötenuhren, Drehorgeln und Vogelorgeln (Serinetten), außerdem Hausorgeln sowie Truhenpositive, die in den letzten Jahren zunehmend als Zweitinstrumente in Gebrauch stehen, aber erfahrungsgemäß öfter den Standort wechseln. Somit ergibt sich eine Gesamtzahl von ca. 450 Instrumenten in Tirol und ca. 400 in Südtirol.

Von diesen 850 Orgeln sind 36 % Instrumente aus der Zeit bis 1900 mit mechanischen Schleifladen. 4 % der Orgeln besitzen Registerkanzellenladen mit mechanischer Spieltraktur (Kegelladen); diese entstanden in den Jahren zwischen 1885 und 1900. Noch 18 % der Instrumente haben Registerkanzellenladen mit nichtmechanischer Traktur (pneumatisch, elektropneumatisch bzw. elektrisch); die älteste Orgel dieser Art entstand 1895, die erhaltenen Orgeln aus der Zeit von 1901 bis 1950 gehören sämtlich zu dieser Kategorie, und vereinzelt wurden (vor allem in Südtirol) noch bis in die 1960er Jahre derartige Instrumente erbaut. Die restlichen 42 % der Instrumente stellen die seit 1950 erbauten mechanischen Schleifladenorgeln dar. Ihre Zahl wächst naturgemäß ständig an, wobei auch von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Produktion zugenommen hat: Wurden in den 1960er Jahren gut 50 Orgeln erbaut, entstanden in den 1990er Jahren über 100 neue Orgeln, wozu, wie erwähnt, noch etliche Truhenpositive kommen. Von den seit 1970 erbauten ca. 285 Instrumenten kamen 49 % in Kirchen, die bisher (oder zumindest zeitweilig) keine Orgel besaßen, 41 % ersetzten nichtmechanische Instrumente, 10 % dieser Neubauten fielen Orgeln mit Schleifladen oder mechanischen Registerkanzellenladen zum Opfer.

Gut 16 % der Gehäuse sind in die Zeit vor 1800 zu datieren. Weitere 37 % der Gehäuse gehören dem 19. Jahrhundert an. Dagegen gehen nur knapp 10 % der Orgeln in wesentlichen Teilen noch auf die Zeit vor 1800 zurück. Von einigen prominenten Beispielen abgesehen, handelt es sich um kleine Instrumente, vornehmlich Positive. 30 % der Orgeln stammen aus dem 19. Jahrhundert. Hierbei zeigen sich in geographischer Hinsicht große Unterschiede: Während in den westlichen Bezirken Tirols teilweise über 50 % der heute vorhandenen Orgeln vor 1900 erbaut worden sind, liegt die entsprechende Zahl im Bezirk Kufstein und der Stadt Innsbruck unter 25 %. In Südtirol ist der Prozentsatz der Orgeln aus der Zeit vor 1900 in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau mit über 60 % am höchsten; dagegen liegt er in der Bezirksgemeinschaft Pustertal bei nur 18 %. Hierbei wirkt sich vor allem aus, dass im Pustertal viele Kirchen bis in die jüngste Zeit noch keine Orgel besaßen.

Die ältesten erhaltenen Teile einer Orgel sind die Flügelbilder der ehemaligen Orgel in der Spitalkirche Meran aus dem Jahre 1516. Älteste spielbare Instrumente sind das Tischpositiv von 1559 auf der Churburg (Südtirol) sowie die 1561 vollendete Chororgel der Innsbrucker Hofkirche.

Weitaus die meisten historischen Orgeln stammen jedoch aus dem 19. Jahrhundert. Von diesen wiederum geht die Mehrzahl auf die Orgelbauer Josef Aigner (44 Instrumente, davon 30 in Südtirol), Mathias und Franz Weber (46 Instrumente, davon 6 in Südtirol) sowie drei Generationen der Familie Reinisch (55 Instrumente mit Schleifladen, davon 32 in Südtirol) zurück.

Der Bestand an Orgeln mit Registerkanzellenladen (mechanisch und pneumatisch) besteht hauptsächlich aus über 50 Instrumenten der Firma Reinisch sowie jeweils zwischen 20 und 30 Orgeln der Firmen Mayer, Behmann und Fuetsch. Die Zahl dieser Orgeln nimmt stetig ab; es ist jedoch festzustellen, dass in den letzten Jahren zunehmend auch Instrumente aus der Ära der Pneumatik restauratorisch behandelt worden sind.

Den Bau von Orgeln mit mechanischen Schleifladen dominiert seit 1950 die Steinacher Firma Reinisch/Pirchner: Einschließlich Truhenpositive wurden für Tirol und Südtirol über 200 Orgeln erbaut. Dies sind mehr Instrumente, als die übrigen in diesem Zeitraum tätigen Orgelbauer zusammen geliefert haben; im Bundesland Tirol wurde ein Anteil von etwa 60 % erreicht.

Gut die Hälfte aller Orgeln im Tiroler Raum besitzt zwei Manuale; 3 % der Orgeln sind dreimanualig; lediglich zwei Orgeln weisen vier Manuale auf: Heldenorgel Kufstein (65 Reg.) und Pfarrkirche Schwaz (45 Reg.) Der Rest der Orgeln ist einmanualig.

Von den historischen Schleifladenorgeln sind dagegen nahezu vier Fünftel einmanualig; nur die Orgel der Stiftskirche Marienberg (Südtirol) hat drei Manuale (32 Reg.).

Die derzeit größten Orgeln Tirols nach der Heldenorgel in Kufstein sind dreimanualig: Innsbruck, Dom (57 Reg.), Innsbruck-Wilten, Stiftskirche (53 Reg.), Pfarrkirche Hall (50 Reg.); in Südtirol: Meran, Maria Himmelfahrt (48 Reg.), Brixen, Dom (47 Reg.). Die größten je für Tirol gebauten Orgeln waren die von 1931 für die Pfarrkirche St. Jakob (heute Dom) in Innsbruck mit 75 Registern auf vier Manualen (einschl. Fernwerk) sowie die Orgel der Pfarkirche Schwaz von 1909 mit 65 Registern auf drei Manualen, in Südtirol die Domorgel von 1931 in Brixen mit 60 Registern auf drei Manualen (einschl. Chororgel).